DIE STÄNDIGE VERTRETUNG IN OST-BERLIN

Die Einrichtung von diplomatischen Dienststellen in Bonn und Ost-Berlin markiert 1974 einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Annäherung der beiden deutschen Staaten.

Im »Gartenhaus« der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin finden zahlreiche Empfänge statt. Dort begegnen sich Künstler:innen und Kulturschaffende aus Ost- und Westdeutschland, darunter auch Klaus Staeck und Heinz Schönemann.

Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR, Hannoversche Straße 30, in Ost-Berlin 1974
Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR, Hannoversche Straße 30, in Ost-Berlin 1974.
Bundesarchiv, Bild 183-N0625-0347/ Foto: Hubert Link

EINE FREUNDSCHAFT:
SCHÖNEMANN – TSCHÄPE

Rudolf Tschäpe und Heinz Schönemann im Gespräch bei der Ausstellungseröffnung »Plastik, Grafik – Wieland Förster« am 7. Mai 1974 auf dem Telegrafenberg Potsdam.

Im Vorfeld der Schau bittet Tschäpe den erfahrenen Ausstellungsmacher Schönemann um Unterstützung. Mit dem Engagement für die Ausstellung beginnt eine Freundschaft der beiden Familien.

Rudolf Tschäpe und Heinz Schönemann am Astrophysikalischen Institut Potsdam, 7. Mai 1974
Rudolf Tschäpe und Heinz Schönemann am Astrophysikalischen Institut Potsdam, 7. Mai 1974.
Privatarchiv Heinz Schönemann, Foto: Helfried Strauß
IM-Bericht über die Ausstellungseröffnung »Wieland Förster«, 7. Mai 1974
IM-Bericht über die Ausstellungseröffnung »Wieland Förster«, 7. Mai 1974.
Quelle: BStU, MfS, PdM AOP 1696/83, Bd. 2, Bl.06, 07
IM-Bericht über die Ausstellungseröffnung »Wieland Förster«, 7. Mai 1974

IM-BERICHT:
ERÖFFNUNG DER WIELAND FÖRSTER- AUSSTELLUNG 1974

Die Staatssicherheit beobachtet Ausstellungseröffnung, Gäste und Reden. Ein IM berichtet über das Ereignis. Besonders das Engagement und die Fähigkeit von Rudolf Tschäpe und Heinz Schönemann, eine Form der Gegenöffentlichkeit zu schaffen und damit auch Prominente wie Konrad Wolf, den Präsidenten der Akademie der Künste (Ost), anzusprechen, betrachtet die Stasi mit Argwohn.

IM-Berichte über Heinz Schönemann und Rudolf Tschäpe

Ab 1968 werden sowohl Familie Tschäpe als auch Familie Schönemann systematisch von der Stasi überwacht. Inoffizielle Mitarbeiter (IM) werden auf sie angesetzt und liefern Berichte. Sie beobachten die Familien in ihrer Freizeit, wie hier bei einem Ausflug im April 1978. Telefonate werden abgehört, die Wohnungen durchsucht.

Die Familien Tschäpe und Schönemann in der Meistersingerstraße in Potsdam vor Tschäpes Wohnhaus im April 1978
Die Familien Tschäpe und Schönemann in der Meistersingerstraße in Potsdam vor Tschäpes Wohnhaus im April 1978.
Quelle: BStU, MfS, BV Pdm, AOP 1696/83, Bd. 6, Bl. 45, 46, 47
Die Familien Tschäpe und Schönemann in der Meistersingerstraße in Potsdam vor Tschäpes Wohnhaus im April 1978
Die Familien Tschäpe und Schönemann in der Meistersingerstraße in Potsdam vor Tschäpes Wohnhaus im April 1978

STAATSSICHERHEIT UND ÜBERWACHUNG VON KLAUS STAECK

Die Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung) der Staatssicherheit dokumentiert Staecks Kontakte zu Schriftstellern wie Stefan Heym oder Mitarbeitern der Ständigen Vertretung. Staeck plane eine Ausstellung in der DDR heißt es im Bericht vom 8. Mai 1978. Er sei Gründungsmitglied im »Schutzkomitee Freiheit und Sozialismus«, einer Organisation, die sich für die Freilassung von politischen Gefangenen in der DDR einsetzt.

Stasi-Bericht über die Einreise von Klaus Staeck in die DDR am 8. Mai 1978
Stasi-Bericht über die Einreise von Klaus Staeck in die DDR am 8. Mai 1978.
Quelle: BStU, MfS HVIII/RF/1753/12, Bl. 12 u. 13
Stasi-Bericht über die Einreise von Klaus Staeck in die DDR am 8. Mai 1978

KLAUS STAECK — POLITISCHE PLAKATE

Das 500. Dürer-Jubiläum nimmt Klaus Staeck 1971 zum Anlass für seine erste Plakataktion. Er setzt der offiziellen Würdigung des Künstlers eine sozialkritische Grafik entgegen.

An über 330 Litfaßsäulen in Nürnberg lässt er Dürers Bildnis seiner Mutter aus dem Jahr 1514 anbringen und fragt provokativ: »Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?«. Staeck bleibt bei der Aktion anonym.

Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten? Plakat Klaus Staeck 1971, Edition Staeck
Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?
Plakat Klaus Staeck 1971, Edition Staeck

KLAUS STAECK — PUBLIKATIONEN IN DER DDR

1980 passiert die Plakatsammlung »Die Gedanken sind frei« die staatliche Zensur und erscheint im Ost-Berliner Eulenspiegel-Verlag. Staecks Kritik an Wirtschaftssystem und Umweltverschmutzung der Bundesrepublik Deutschland lässt sich je nach Lesart auch auf die DDR anwenden.

Aus diesem Grund sind Klaus Staecks Plakate und Postkarten dort beliebt und bekannt.

Buchcover von »Die Gedanken sind frei«, eine Edition von Plakaten Klaus Staecks
Buchcover von »Die Gedanken sind frei«, eine Edition von Plakaten Klaus Staecks.
Eulenspiegel Verlag Berlin, 1980

Wahlzeitung
der SPD

Bei den Kommunalwahlen im Mai 1990 treten auf kommunaler Ebene zum ersten Mal Parteien gegeneinander an. Das Machtmonopol der SED ist gebrochen. Die Wahlzeitung der SPD stellt die Kandidaten vor und formuliert die Ziele der Partei. SPD Kandidat Horst Gramlich wird als neuer Oberbürgermeister ins Amt gewählt. Die SPD erhält 32%, die CDU 16,6%, die PDS 26,5% und die FDP 3% der Stimmen.

Wahlprogramm
Neues Forum

»Kommunale Selbstverwaltung«, »Starkes soziales Engagement für die Lebensqualität der Potsdamer Einwohner«, »Erhaltung kommunalen Eigentums«, so lauten einige Ziele der Bürgerbewegungen Neues Forum und ARGUS für die Kommunalpolitik 1990. Die Plakatausstellung in der Otto-Nuschke Straße eröffnet am 1. Mai, wenige Tage vor den ersten freien Kommunalwahlen.

Wahlzeitung der SPD für die Kommunalwahlen der DDR 1990
Wahlzeitung der SPD für die Kommunalwahlen der DDR 1990.
Archiv SGL/Bestand Rüdiger
Neues Forum: Wahlprogramm für die Kommunalwahlen 1990 am 6. Mai 1990
Neues Forum: Wahlprogramm für die Kommunalwahlen 1990 am 6. Mai 1990.
Quelle: Archiv SGL/Bestand ARGUS

Broschüre: Staeck Plakate 1989/90

Die in Potsdam gezeigten Werke Klaus Staecks sind eine Auswahl von Plakaten. Sie setzen sich zusammen aus der Aktion »Der andere Wahlkampf«, die Staeck bereits im November 1989 ins Leben ruft. Die Kampagne soll die »Waschmittelwerbung der Parteien« bei den bevorstehenden Wahlen in Deutschland mit provokativen Bildcollagen bloßstellen.

Aktion »Der andere Wahlkampf«
Aktion »Der andere Wahlkampf«.
Quelle: Klaus Staeck Brief Nr. 31, Steidl Verlag Göttingen, November 1990

Eröffnungsrede Rudolf Tschäpes über Klaus Staecks Plakate

In seiner Eröffnungsrede geht Rudolf Tschäpe auf Technik, Herstellung und Funktion von Staecks Plakaten ein. Dabei erwähnt er Staecks Kollegen und Geschäftspartner Gerhard Steidl, mit dem dieser seit 1970 zusammenarbeitet. Steidl ist verantwortlich für Grafik und Druck. Staecks Plakate, Postkarten und Kataloge erscheinen in seinem Göttinger Verlag.

Eröffnungsrede von Rudolf Tschäpe anlässlich der Ausstellungseröffnung in der Otto-Nuschke im Mai 1990
Eröffnungsrede von Rudolf Tschäpe anlässlich der Ausstellungseröffnung in der Otto-Nuschke im Mai 1990.
Quelle: SGL/Nachlass Rudolf Tschäpe, Faksimile

Ausstellung in der Lindenstraße 1990

Heinz Schönemann und Birgit Reissland bringen die Plakate Ende April 1990 an nur einem Tag an den Wänden im ehemaligen Hafthaus an. Dafür improvisieren sie: Sperrholz verwenden sie als Bildleisten, damit sich das Papier nicht aufrollt. Angelschnur und Fleischerhaken dienen zur Hängung der Plakate an den schmiedeeisernen Gitterstäben der Gefängnisflure.

Das ehemalige Gefängnis wird zur Ausstellungsfläche: Die Plakate im ehemaligen Hafthaus Otto-Nuschke-Straße, heute Lindenstraße, 1990
Das ehemalige Gefängnis wird zur Ausstellungsfläche: Die Plakate im ehemaligen Hafthaus Otto-Nuschke-Straße, heute Lindenstraße, 1990.
Privatarchiv Klaus Staeck
Das ehemalige Gefängnis wird zur Ausstellungsfläche: die Plakate im ehemaligen Hafthaus Otto-Nuschke-Straße, heute Lindenstraße, 1990